Paetzold, Herbert (geb. 1943)
Vom Film zur Flöte
Warum ist die Banane krumm? Weil sie wachsend nach dem Sonnenlicht strebt. Und warum ist die Flöte rund? Weil sie in ihren Anfängen aus länglichrundem, ausgehöhltem Material bestand. Inzwischen gibt es gerade Bananen - und rechteckige Blockflöten.
"Eine Flöte muss nicht rund sein", sagt Herbert Paetzold.
Seit über 35 Jahren baut der 66-Jährige neben Cembali, Geigen und Gamben, "normalen" Block- und Traversflöten seine weltweit berühmten und begehrten viereckigen Paetzold-Bassblockflöten.
"Diese sind in der Herstellung günstiger", erklärt Herbert Paetzold. Dank Mundstück, Klappen und geknickter Form können die teils übermannsgroßen, zwei Oktaven umfassenden Instrumente sogar von Kindern gegriffen werden. Außerdem tun sich mit dieser Bauweise neue Tiefen auf: So bietet Herbert Paetzold nicht allein Baß-, Groß-, Kontra- und Subgroßbassblockflöten in f, c, F oder C an.
Seit 2001 hat der 66-Jährige eine Subkontrabassblockflöte in FF mit 2,45 m Größe und 3,60 m schwingender Luftsäule im Angebot - bislang die tiefste ihrer Art.
"Ob die Luft in einem runden oder viereckigen Korpus schwingt, ist", so Herbert Paetzold, "für den Klang unwichtig". Im Gegenteil", findet er: "Die Luftsäule schwingt in der eckigen Form vielleicht sogar besser. "Entscheidend ist, wie die Oberfläche des Materials beschaffen ist und dass es möglichst wenig mitschwingt. Deshalb nimmt Herbert Paetzold für seine futuristischen, augenzwinkernd auch Ikea-Blockflöten genannten Bassflötengebilde hochwertiges festes Sperrholz.
"Ich bin von einem anderen Stern", erklärt er lachend: "Wenn ich von der Musikszene gekommen wäre, hätte ich vielleicht zu viele Skrupel gehabt."
Denn zu seinem Flötenhof in Ebenhofen bei Marktoberdorf, Gemeinde Biessenhofen im Ostallgäu, mittlerweile ein kleines Allgäuer Zentrum für Alte Musik mit Werkstatt, Konzertsaal, Gästezimmern, regem Kurs- und Konzertangebot, führte ein "nicht ganz gerader Weg.", obwohl Herbert Paetzold aus einem Elternhaus stammt, in dem Musik und Musizieren gepflegt wurden.
So spielte der Vater, der als Ingenieur arbeitete und dafür 1947 mit der Familie von Berlin nach München zog, "ganz ordentlich Klavier und Geige." Nur kurze Zeit hatte sein Sohn Herbert in denselben Instrumenten Unterricht. Das meiste brachte dieser sich selbst bei.
"Ich wollte halt da mitmachen."!
Auch den Blockflötenbau eignete er sich weitgehend autodidaktisch an.
"Wenn man will, kann man alles lernen", findet er. Aber "man muss sich schon konzentrieren" und "sich einschätzen können."
Für Herbert Paetzold bedeutete die berufliche Konzentration zunächst ein Studium der Elektrotechnik. Im Rahmen einer Seminararbeit begann er am Residenztheater in München als Bühnenbeleuchter, brach danach sein Studium ab und folgte einem Kollegen nach Salzburg, um dort bei den ersten Osterfestspielen unter Herbert von Karajan für das rechte Licht zu sorgen.
Von da aus kam Paetzold bald zum Film und hinter die Kamera. Bis 1975 arbeitete er als "freier Filmschaffender", drehte bei den ersten 15 Filmen von Rainer Werner Fassbinder mit. Auf Dauer war diese Arbeit jedoch nichts für ihn: "Den Kameramann kennt kein Mensch!" Auch gefiel ihm die menschliche Seite des Filmgeschäfts nicht. Frustriert beendete Herbert Paetzold seine Karriere und suchte neue Wege.
Einige Monate lang fertigte er mit seinem Bruder Möbel, bis die Handwerkskammer das Unternehmen verbot, weil keiner der beiden Meister war:
"Dann stand ich da!"
Bald darauf machte sein Onkel, der Blockflötenbauer Joachim Paetzold aus Tübingen, einen Vorschlag: Der Neffe soll Bassblockflöten bauen - und zwar nach dem Vorbild der rechteckigen Holzorgelpfeifen. Erschwingliche tiefe Blockflöten werden gebraucht.
So fing Herbert Paetzold an, viereckige Blockflöten zu bauen, am Wochenende bei seinem Onkel in Tübingen Rat und Unterweisung zu holen und selbst das Blockflötenspiel zu lernen. "Als Flötenbauer musst du atemtechnisch sehr fit sein", erklärt er.
Am 1. März 1975 eröffnete Herbert Paetzold in München einen "Spezialladen für Blockflöten und Cembali" ("das passt gut zusammen"), erwies sich als geschickter Geschäftsmann. Schon 1976 initiierte er einen Blockflötenwettbewerb mit den Juroren Peter Thalheimer, Gerhard Braun, Walther Theurer, Gustav Scheck und Karl Stangenberg. Zu gewinnen waren Blockflöten aus der eigenen Werkstatt.
Durch den Artikel "Klingendes Sperrholz" in Tibia wurde bald darauf Frans Brüggen auf die viereckigen Paetzold-Instrumente aufmerksam und bestellte als einer der ersten drei Kontrabässe in F. Im Laufe der Jahre lernte Paetzold viele namhafte Künstler der historischen Musikszene kennen.
"Ich bin in die Alte Musik hineingewachsen", erklärt er.
Das Geschäft in der Augustenstraße wurde ihm dabei bald zu klein: Konzerte, Seminare, Wohnung, Gästezimmer, Instrumentenbau - alles sollte unter einem Dach sein. So brach Herbert Paetzold 1978 seine Zelte in der Landeshauptstadt ab und fand die "Übergangslösungen" in Schnerzhofen und Markt Wald.
"Ich denk' mir halt und mach es dann."
Spontaneität mit Überlegung!
Sicher half ihm diese Fähigkeit auch, 1984 den gemeinnützigen Verein "Flötenhof e.V." zu gründen, der Paetzold's kulturelles Zentrum über finanziell schwierige Jahre überstehen half. Bis heute veranstaltete der Verein über 200 Konzerte in historischer Spielpraxis und 220 Kurse.
"Ich habe viele Musiker eingeladen, die damals noch keiner kannte. Heute sind sie Stars in der Szene", freut sich Herbert Paetzold. Die Kontakte bestehen immer noch.
Den idealen "Flötenhof' aber fand er in Ebenhofen: 1996 kaufte das Ehepaar Paetzold das Haus der ehemaligen Orgelwerkstatt Hindelang, baute 3 - 4 Jahre lang 800 qm auf drei Etagen in Eigenregie um:
"Keine ganze leichte Zeit! Aber man hat' s geschafft".
Trotzdem geht Herbert Paetzold seinen ungewöhnlichen, individuellen und vielseitigen Weg weiter: restauriert, tüftelt, experimentiert, fertigt mit seinen vier Mitarbeitern und der organisatorischen Unterstützung seiner Frau im Büro rund 240 Bassblockflöten pro Jahr, ist auch einer der Pioniere im Nachbau historischer Blockflöten, leitet selbst Kurse, unterrichtet Geige:
"Nur Werkstatt allein war nicht meins."
(von Hans-Joachim, 23.12.2009)
2012 sind Rechte und Fertigung der viereckigen Paetzold-Bassblockflöten an die Werkstatt Kunath übergegangen; die Modellbezeichnung ist "Paetzold by Kunath". Umzug der Werkstatt von Ebenhofen nach Fulda in das neue Werkstattgebäude.
Herbert Paetzold